Haftungsregime im deutschen Zivilrecht
Achtung! Frage für die Mündliche: “Welches deutsche Rechtskonzept verkörpern Pferd, Auto und Hund gemeinsam?”
Wer jetzt an Katz & Maus denkt, oder auch nur Bahnhof versteht, der lese sich im Folgenden klug.
Das deutsche Recht unterscheidet drei Haftungsarten der gesetzlichen Haftung. Verschuldenshaftung, Haftung für vermutetes Verschulden und die Gefährdungshaftung. Darüber hinaus existiert eine - gerne auch von eurem Prof. ignorierte - Art der Haftung: die Aufopferungshaftung nach preußischem Vorbilde. Da klingelt doch was, oder?
Bei der Verschuldenshaftung hängt eine Schadensersatzverpflichtung davon ab, dass der Haftende den objektiven Haftungstatbestand schuldhaft (also vorsätzlich oder fahrlässig) verwirklicht hat.
In der Regel muss der Anspruchsteller dann zusammen mit den objektiven Haftungsvoraussetzungen auch das Verschulden beweisen (so grundsätzlich im Falle einer Rechts(guts)verletzung gemäß § 823 I BGB). Bestimmte Verkehrspflichtverletzungen führen zu einer Haftung für vermutetes Verschulden. Kann der objektive Tatbestand vom Geschädigten bewiesen werden, muss sich der Schädiger exkulpieren, um einer Haftung zu entgehen. Eine solche gesetzliche Haftung für vermutetes Verschulden findet sich etwa in den §§ 831 I, 832 I, 833 I 2, 834 I 2, 836 I BGB, 18 I StVG und bei der Produzentenhaftung (hierzu in Kürze ein eigener Beitrag).Eine besondere Ausprägung findet die Schadensersatzhaftung ohne Verschulden in den Tatbeständen der Gefährdungshaftung. Hier haftet der in Anspruch Genommene nicht für eine rechtswidrig-schuldhafte Schadensverursachung, sondern aus dem einfachen Grunde, weil er - wohlbemerkt erlaubterweise - gefährliche Handlungen vornimmt oder gefährliche Anlagen betreibt. Der Haftende muss im Schadensfalle Kompensation leisten, weil er aus einem gefährlichen, aber grundsätzlich rechtmäßigen Betrieb oder Verhalten Vorteile zieht und im Übrigen die Gefahrenquelle am besten beherrschen kann. Gehaftet wird im Gegenzug regelmäßig, sozusagen als privilegierende Kompensation für das auferlegte dauer-latente Haftungsrisiko, nur bis zu einer bestimmten Schadenshöchstgrenze, um eine Versicherbarkeit des Risikos zu ermöglichen (Haftungsdeckelung; vgl. z.B. § 10 ProdHaftG). Die Tatbestände der Gefährdungshaftung sind sämtlich vom Gesetzgeber ausdrücklich normiert worden („Enumerationsprinzip“). Gefährdungshaftungstatbestände finden sich insbesondere in den §§ 833 I 1, 834 I 1 BGB, 7 I StVG (brutal examensrelevant), 89 I, II WasserhaushaltsG (WHG), 32 I GentechnikG, 1 ProdHaftG, 84 ArzneimittelG).
Die Aufopferungshaftung ist ihrerseits dadurch charakterisiert, dass jemand Nachteile hinnehmen muss, die ihm durch die rechtmäßige Verhaltensweise eines anderen bzw. infolge eines von anderer Seite rechtmäßig herbeigeführten Zustands entstehen. Der Haftungsgrund liegt hier nicht in einer besonderen Gefährlichkeit des Verhaltens, sondern in dem Umstand, dass dem Geschädigten nach einer Interessenabwägung die Geltendmachung von Abwehransprüchen aufgrund höherrangiger privatrechtlicher Interessen verwehrt wird. Diese „bürgerlichrechtliche Aufopferungshaftung“ begründet nicht unbedingt einen Anspruch auf integralen Schadensersatz, sondern möglicherweise nur auf einen „angemessenen Ausgleich in Geld“. Beispiele finden sich etwa in den §§ 904 S. 2, 906 II 2 BGB.
Jetzt lässt sich die Frage in der Einleitung einfach beantworten. Hund, Pferd und Auto verkörpern das Rechtskonzept der Gefährdungshaftung!
Vertiefung: folgt (Seite im Aufbau).